„Spanien, nicht Italien, war verpflichtet, die Rechte der Menschen an Bord zu schützen und daher grundsätzlich auch die Landung an einem sicheren Ort (einem sicheren Hafen) zu ermöglichen.“ So schrieben die Richter des Open-Arms-Prozesses in der Urteilsbegründung, mit der sie im Dezember den ehemaligen Innenminister Matteo Salvini freisprachen. Diese Schlussfolgerung, die zu den Urteilsbegründungen gehört, die den Lega-Chef entlasten, bedeutet, dass Minister Salvini durch die fehlende Verpflichtung zur Ausstellung des Sicherheitsdokuments sowohl den Vorwurf der Dienstverweigerung als auch den der Entführung fallen lässt, der sich aus der rechtswidrigen Verweigerung der Landung von Flüchtlingen in Italien im August 2019 ergibt.

Zu dieser Schlussfolgerung gelangt das Gericht auf der Grundlage einiger Erwägungen, „die – so schreiben die Richter in ihrer Begründung – die natürliche zentrale Rolle Spaniens in der Angelegenheit definieren (trotz einer künstlichen Infragestellung Italiens)“.

Das spanische Seenotrettungs- und Koordinierungszentrum habe tatsächlich „von Anfang an eine minimale ‚Erstkontakt‘-Koordination betrieben, etwa die, die darauf abzielte, das Schiff (Open Arms mit den geretteten Migranten, Anm. d. Red.) bei der Identifizierung der verantwortlichen Staaten (oder zumindest jener, die es für verantwortlich hielt) für das Unfallgebiet zu orientieren, zunächst Tunesien und dann Malta, und das Schiff mit den jeweils zuständigen Behörden in Kontakt zu bringen“.

Von Anfang an habe Malta, „indem es seine Verantwortung für die ersten beiden Rettungsaktionen ablehnte“, so das Gericht, „Spanien (Flaggenstaat) als einzige Behörde bezeichnet, die dem Schiff bei der Fortsetzung der Rettungsaktionen hätte helfen müssen“. Und weiter – so präzisieren sie – „selbst nach mehreren Tagen habe Spanien dem Rettungsschiff schließlich die Erlaubnis erteilt und das Schiff aufgefordert, nach Algeciras und dann zum nächstgelegenen spanischen Hafen (Mallorca) zu fahren, da es zu diesem Zeitpunkt, zunehmend unter dem Druck zwingender humanitärer Gründe, seine rechtliche Zuständigkeit für den Vorfall nicht mehr leugnen konnte. Schließlich – so die Gerichtsbegründung – habe Spanien, als Open Arms die Unmöglichkeit zum Ausdruck brachte, den ihm angegebenen Rettungshafen zu erreichen, die Entsendung des Marineschiffs Audaz veranlasst, um die geretteten Migranten aufzunehmen und nach Spanien zu bringen (und so eine alternative Lösung für die Überfahrt zum sicheren Ort organisiert).“

Der italienische Staat war daher nicht verpflichtet, dem Schiff Open Arms den sicheren Hafen (POS) zur Verfügung zu stellen. „Die Annahme, dass im vorliegenden Fall weder dem italienischen Staat noch dem derzeitigen Beklagten eine Verpflichtung zur Bereitstellung des POS auferlegt wurde“, erläutern die Richter vorab, „entbindet das Gremium offensichtlich von der analytischen Auseinandersetzung mit verschiedenen von den Parteien aufgeworfenen und heftig diskutierten Fragen, wie beispielsweise jene im Zusammenhang mit dem Umstand, dass das Schiff Open Arms als POS hätte fungieren können, oder der Tatsache, dass es sich bei der ersten Intervention in Wirklichkeit nicht um ein in Seenot geratenes Schiff handelte, oder der Tatsache, dass die Wartezeit auf den POS legitimerweise (auch unter Berücksichtigung der beträchtlichen normalen Ausschiffungszeiten bei anderen in Italien abgeschlossenen Rettungsaktionen, sogar außerhalb der Amtszeit Salvinis im Innenministerium) durch die Notwendigkeit erklärt werden konnte, zunächst für die Verteilung der Migranten auf die europäischen Staaten zu sorgen.“

„Es kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden“, schreiben die Richter, „dass der italienische Staat die Migranten (darunter die Flüchtlinge, diejenigen, die Anspruch auf Asyl gehabt hätten und diejenigen, die einer realen Gefahr einer Verletzung ihrer international anerkannten Grundrechte ausgesetzt gewesen wären) in ein Land zurückgewiesen hat, in dem ein begründetes Risiko einer Verletzung ihres Lebens, ihrer Freiheit oder ihrer psychischen und körperlichen Unversehrtheit besteht.“

(Online-Gewerkschaft)

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