Warum ist Japan in der Mode?
Federico Rampini spricht über das Land der aufgehenden SonnePer restare aggiornato entra nel nostro canale Whatsapp
Japan ist im Trend, nicht zuletzt, weil der Euro mittlerweile stärker ist als der Yen, die Währung des Landes der aufgehenden Sonne. So kann man den japanischen Archipel bereisen, ohne ein Vermögen auszugeben. Doch was genau fasziniert die Menschen an Japan? Die Auswahl ist riesig, denn Tokios „Soft Power“ prägt die Massenkultur seit Jahrzehnten: Von Manga und Anime über Videospiele und Literatur bis hin zu Kino und J-Pop – westliche Jugendliche und Erwachsene nehmen japanische Einflüsse auf, oft ohne es zu merken. Sushi ist mittlerweile so global wie Pizza. Betrachtet man alle Modetrends, die im Land der aufgehenden Sonne entstanden sind, drängt sich eine frappierende Parallele zum England der Beatles in den 1960er-Jahren auf. Selbst die japanische Spiritualität, vom Shintoismus bis zum Zen-Buddhismus, hat uns Westler stark beeinflusst und den Umweltschutz sowie die Verehrung der Natur als allgegenwärtige Gottheit vorweggenommen.
Neben dieser weit verbreiteten Soft Power gibt es jedoch noch etwas Tieferes, etwas „Strukturelleres“, wie Federico Rampini bestätigt, der seinen neuesten Essay „ Die Lektion Japans“ (Mondadori, 2025, 20,00 Euro, 336 Seiten. Auch als E-Book erhältlich) dem Land der aufgehenden Sonne widmete:
Die Wiederentdeckung Japans hat viele Facetten. Man stößt auf eine uralte und faszinierende Zivilisation, ein Land, das wie kein anderes Moderne und Traditionsbewusstsein vereint, und sieht sich gleichzeitig mit zahlreichen Widersprüchen konfrontiert: Das Paradies der guten Manieren kann sich als Gefängnis der Konformität erweisen, so sehr, dass manche beschließen, spurlos zu verschwinden. Und wie lassen sich die weltweit niedrigsten Kriminalitätsraten mit der Existenz der gefürchteten Yakuza-Mafia vereinbaren?
Kurz gesagt, Japan ist eine Art Paradoxon…
Ja, und genau deshalb lieben wir es: Wir lieben es, aber wir verkennen seine wahre Tiefe. Seit Jahrzehnten prägen Manga, Anime, Sushi und Design unsere Fantasie, doch Tokio bleibt als Machtzentrum weitgehend unsichtbar. Dieses Missverständnis rührt von einer übermäßigen Oberflächlichkeit her: Wir sehen nur die Anmut und die Schönheit, übersehen aber die Selbstdisziplin, die Widerstandsfähigkeit und die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Es ist eine Zivilisation, die Harmonie und Hierarchie, Schönheit und Strenge vereint. Japan beweist, dass man hochmodern sein kann, ohne seine Wurzeln zu verleugnen.
Der Titel Ihres Buches suggeriert die Lektion, die Japan uns allen lehren kann. In welchem Sinne?
„Mal sehen: Es war das erste nicht-westliche Land, das sich den Herausforderungen stellen musste, vor denen wir heute stehen: demografischer Rückgang, Alterung und scheinbare Stagnation, die eine beachtliche Anpassungsfähigkeit verbirgt. Japan hat sein reifes Alter erreicht und zeigt uns, wie es auch ohne explosives Wachstum ein fortschrittliches und stabiles Land bleiben kann.“
Kurz gesagt, er stand oder steht vor Herausforderungen, die auch uns betreffen…
Japan war das erste Land, das sich der Zukunft stellte: einer alternden Gesellschaft, die Wohlbefinden und Nachhaltigkeit in Einklang bringen muss. Es hat gelernt, gut zu altern und Innovationen voranzutreiben, ohne den sozialen Zusammenhalt zu zerstören. Seine Unternehmen haben sich neu erfunden und sich auf unsichtbare, aber essenzielle Produktion verlagert – von Halbleitern bis hin zur Robotik. Im Umweltbereich hat Japan Ästhetik und Technologie vereint. Es ist ein Land, das innerhalb seiner Grenzen lebt, sie akzeptiert und in Stärke verwandelt. Darüber hinaus war es ein Vorbild für alle anderen: Das chinesische Wirtschaftswunder entstand durch die Nachahmung des japanischen. Tokio antizipiert die Krisen und Lösungen des Westens, und deshalb sind seine Lehren so wertvoll.
Apropos China: Auch Japan scheint bereit zu sein, sich den geopolitischen Herausforderungen unserer Zeit zu stellen. Welche Rolle wird es Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren im Fernen Osten spielen?
Das Land bleibt die asiatische Säule des Bündnisses mit den Vereinigten Staaten. Unter Premierministerin Sanae Takaichi – einer konservativen und pragmatischen „japanischen Meloni“ – übernimmt Tokio heute neue Verteidigungsaufgaben als Reaktion auf die chinesische Aufrüstung und die Unsicherheit der USA. Japan lehnt den Verfassungspazifismus nicht ab, sondern modernisiert ihn: Es will die liberale Ordnung in Asien mit modernen Mitteln verteidigen.
Doch was sind die schlimmsten Stereotypen über Japan, von denen wir uns unbedingt befreien müssen?
Erstens stagniert die Wirtschaft. Das Land zählt weiterhin zu den führenden Volkswirtschaften der Welt und bietet eine sehr hohe Lebensqualität sowie einen sozialen Zusammenhalt, von dem wir nur träumen können. Ein weiteres Klischee: die Vorstellung, es sei ein konformistisches, von Regeln unterdrücktes Land. In Wirklichkeit haben seine Regeln Sicherheit, Ordnung und Gerechtigkeit gewährleistet. Selbst seine Schattenseiten – die Plackerei der Arbeit, die Entfremdung und der Hikikomori – sollten als Preis für ein einzigartiges soziales Gleichgewicht betrachtet werden. Und schließlich ist es ein technologisches Kraftzentrum, das die Welt mit den fortschrittlichsten Komponenten versorgt, die in Smartphones, Computern und Akkus verborgen sind: weit entfernt von dem lebenden „Museum“, als das es manchmal bezeichnet wird!
