Anfang Februar 2008 wurde Olbia von der Operation „Schmutziges Geld“ erfasst. Carabinieri-Beamte der ROS durchsuchten mehrere Häuser, verhafteten Personen und durchsuchten Büros. Sieben von ihnen wurden ins Gefängnis gesteckt. Die Mailänder Staatsanwaltschaft verdächtigte die Stadt Gallura als Epizentrum einer großen Geldwäscheoperation unter dem Banner der ’Ndrangheta. Der Richter, der die Ermittlungsdokumente unterzeichnete, war der stellvertretende Richter Mario Venditti, der derzeit wegen des Falls Garlasco im Rampenlicht steht. Venditti schickte die Carabinieri auch zum Rathaus von Olbia und erwirkte die Beschlagnahmung von 520 Hektar Land, das dem Olbiaer Immobilienentwickler Giovanni Antonio Pitta gehört. Achtzehn Jahre nach der Razzia der ROS führten die Schweizer Behörden den letzten Schlag aus. Die in Zürich ansässigen World Financial Services und Pg Finanz AG haben keinen Konkurs in Höhe von 50 Millionen Euro für den Kauf von 520 Hektar in Spiritu Santu und zweier Baugrundstücke (12 Hektar und 28,5 Hektar) im Olbiaer Viertel San Nicola angemeldet. Mit diesem Urteil wurde der italienisch-schweizerische Finanzier Alfonso Zoccola entlastet. Nun beginnt das Verfahren um Entschädigungsansprüche wegen unrechtmäßiger Inhaftierung. Zoccola fordert Entschädigung für den ihm entstandenen moralischen und beruflichen Schaden. Dasselbe gilt für einige der verhafteten und entlasteten Personen.

Eine Katastrophe

Die Entscheidung der Schweizer Behörden folgt den Urteilen der Richter in Tempio, Mailand, Cagliari und Catanzaro. Kein Bankrott, keine Unterwanderung durch die 'Ndrangheta also. Warum? Der Grund ist einfach: Die Richter entschieden, dass der Clan Ferrazzo di Mesoraca nicht existiert, er war nicht einmal registriert. Die Ergebnisse der Ermittlungen sind verheerend: 30.000 Abhörmaßnahmen, 15.000 geprüfte Bankdokumente, eine Insolvenz in Höhe von 50 Millionen Euro, sieben Verhaftungen, in Olbia beschlagnahmte Vermögenswerte im Wert von mehreren zehn Millionen Euro, sieben Jahre Ermittlungen in Italien und Zürich, Prozesse in Mailand, Cagliari und Tempio und, als Krönung, der Antrag auf Auflösung des Stadtrats von Olbia.

Schmutziges Geld, die Opfer

Alles wurde durch Gerichtsurteile und -beschlüsse aufgehoben. Was bleibt, sind die Geschichten der Opfer. Wie die des Immobilienentwicklers Giovanni Antonio Pitta aus Olbia, der nach zehn Jahren freigesprochen wurde. Der Untersuchungsrichter des Gerichts in Cagliari schrieb in seinem Entlassungsbeschluss, dass das Geld für die von Venditti ins Visier genommenen Immobiliengeschäfte nicht dem Ferrazzo-Clan, sondern Pitta gehörte. Dann gibt es noch die weniger bekannten Figuren, wie einen Skipper aus Olbia, der von der ROS (Italienische Spezialeinheit) verhaftet wurde, weil er einem der Schweizer Finanziers, die nach dem Zusammenbruch von World Financial Services und Pg Finanz Ag nach Olbia geflohen waren, ein Schnellboot abgekauft hatte. Sein Anwalt, der Strafverteidiger Giovanni Azzena, sagt: „Es war eine dramatische Situation für die Beteiligten, denen Verbindungen zum organisierten Verbrechen vorgeworfen wurden. Von einem Tag auf den anderen wurden sie in eine ihnen unbekannte Welt katapultiert. Die Ermittlungen wurden mit äußerst harten Methoden geführt.“

Das Buch

Der Mailänder Anwalt Giuseppe Melzi (ein Anwalt, der Kleinsparer beim Zusammenbruch des Ambrosiano-Geldes vertrat und eine prominente Figur in der katholischen Freiwilligenarbeit ist) ist eines der Opfer von Vendittis Ermittlungen. In einem Buch schilderte er seine absurden Erfahrungen: Er wurde verhaftet (und später freigesprochen), weil er einen Grundstückskaufvertrag für eine Beratungstätigkeit seiner Klienten in Olbia abgeschlossen hatte. Melzi sagt: „Der ‚Schlüssel‘ der Untersuchungshaft wird bei Dr. Mario Venditti nicht angewendet, da seine derzeitigen Kollegen die strafrechtliche Verantwortlichkeit rigoros schützen. Dies ist das Gegenteil seiner Methoden, Schuldgefühle zu erzeugen, insbesondere im Umgang mit verletzlichen und oft wehrlosen Personen.“

Andrea Busia

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