Leben wir in der Realität oder in einer Reality-Show? Diese Frage stellt sich einem als Erstes nach der Lektüre von „Pop Culture“ (Carocci Editore, 2025, 13,00 €, 100 Seiten) von Vanni Codeluppi, Professor für Soziologie an der Universität Modena und Reggio Emilia. Ein kurzer, prägnanter Essay, der zu faszinierenden, nie banalen und manchmal verstörenden Überlegungen über die sogenannte Popkultur, Populär- und Massenkultur anregt. Kurz gesagt: von Disney bis Squid Game, der Kultur, die die Vorstellungskraft unserer Zeit prägt und sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend zur wichtigsten Kulturform in fortgeschrittenen Gesellschaften entwickelt hat.

Das Buch bietet eine originelle Interpretation der Popkultur, basierend auf der Analyse einiger bedeutender, aber äußerst erfolgreicher Persönlichkeiten und Phänomene. Disney, Marilyn Monroe, Barbie, Blade Runner, Madonna, Lady Gaga, Taylor Swift, die Marvel-Superhelden, Big Brother und Squid Game sind zu Protagonisten der Popkultur geworden und ermöglichen uns, deren Funktionsweise und Entwicklung vom frühen 20. Jahrhundert bis heute zu verstehen.

Man denke nur an den Einfluss des Kinos auf die Vorstellungskraft der Menschen des 20. Jahrhunderts. Doch wie viel Realität steckt im Kino? Viel, aber ohne den Anspruch, das Kino durch das wirkliche Leben zu ersetzen – nicht einmal im neo- oder hyperrealistischen Kino, das die Gesellschaft mit möglichst realitätsnahen Nuancen darstellen sollte.

Regisseure und Drehbuchautoren sind sich durchaus bewusst, dass sie die Welt durch ihre Sensibilität, ihre Ideale, ihren Standpunkt und ihre Kreativität filmen. Denn genau das ist die Essenz des Kinos: Fiktion, selbst wenn es um jeden Preis versucht, realistisch zu sein. Der Schriftsteller Filippo Tommaso Marinetti ahnte dies bereits zu Beginn der Kinematographie, als er in seinem Technischen Manifest der futuristischen Literatur (1912) schrieb: „Das Kino bietet uns den Tanz eines Objekts, das sich ohne menschliches Zutun teilt und wieder zusammensetzt. Es bietet uns auch den Rückwärtssprung eines Schwimmers, dessen Füße aus dem Meer auftauchen und heftig auf dem Sprungbrett aufprallen. Schließlich bietet es uns den Lauf eines Menschen mit 200 Stundenkilometern. Dies alles sind Bewegungen der Materie, außerhalb der Gesetze der Intelligenz.“

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Heute sind wir jedoch mit Medien konfrontiert, die viel invasiver und allgegenwärtiger sind als das Kino. Wir sprechen vom Fernsehen und insbesondere vom Internet, Medien, die als Erweiterungen des realen Lebens betrachtet werden, als Orte, an denen wir unser Leben leben, Menschen treffen, Emotionen erleben und unsere Zeit verbringen.

Man denke nur an die tiefgreifenden Auswirkungen auf die Nutzer mancher Computerspiele, bei denen die virtuelle Realität gezielt darauf ausgelegt ist, die reale Welt zu ersetzen und sie möglichst originalgetreu nachzubilden. Man denke auch an Talentshows und Reality-TV-Shows, bei denen der Anspruch, die Realität abzubilden, klar zum Ausdruck kommt und sogar als Grundlage der Show selbst betont wird.

Man tappt also leicht in die Identifikationsfalle, in die Mystifizierung, sich als Teil von Medien und spektakulären Mechanismen zu fühlen, die das Leben nachahmen wollen und fesselnder sein können als das Leben selbst. Fesselnder, weil sie sorgfältig ausgearbeitet sind, auf Skripten und Drehbüchern, auf Schauplätzen und Charakteren basieren, die uns das Gefühl geben sollen, zu Hause zu sein, während unser wahres Zuhause die Welt mit ihrer Unberechenbarkeit, ihren Banalitäten, Menschen und Nicht-Charakteren, Schauplätzen und Nicht-Schauplätzen ist.

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