In unserer Region – urban, aber auch mental – ist „Gott“ nicht länger ein universelles Absolutum, der Schutzschirm, unter dem alle (freiwillig oder unfreiwillig) stehen. „Gott“ ist zur Frage der individuellen Meinung geworden, zu einer parteipolitischen Entscheidung (für viele kaum mehr als ein Relikt aus einer überholten Weltkultur). Hier scheint der Glaube an Gott nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme zu sein. Diese Erzählung birgt ihre unbestreitbare Wahrheit, auch wenn ihr Anspruch, ein Ausdruck des allgemeinen Empfindens zu sein, die Säkularisierung von Institutionen und Verfahren des öffentlichen Lebens mit einem weit verbreiteten und etablierten Gefühl der Urteilsfreiheit in Bezug auf „Gott“ verwechselt. Dies beeindruckt uns jedoch immer wieder, insbesondere wegen der Verlegenheit, die uns der Ursprung dieser Einordnung von „Gott“ in Klammern bereitet. Nämlich uns selbst. Wir waren so religiös, sind wir so gleichgültig geworden? Wie konnte es so weit kommen?

Ausgehend von diesen Überlegungen und Fragen leitet der Theologe Pierangelo Sequeri in seinem Buch „Abschied von Gott?“ (Centro Ambrosiano, 2015, S. 96) verschiedene Reflexionsstränge über die Bedeutung des Glaubens an Gott in der heutigen Zeit ab. Ein Glaube, der nicht mehr derselbe sein kann wie gestern, der aber dennoch seine Relevanz behält.

La copertina del libro
La copertina del libro
La copertina del libro

Heute kann Glaube nicht mehr, wie früher, einfach bedeuten, „an jemanden oder etwas zu glauben“. Er erhält erst dann Bedeutung, wenn er zu Vertrauen wird, auf dessen Grundlage man prophetisch handelt, manchmal sogar gegen die eigenen Interessen. Glaube als Vertrauen schafft gute Gewohnheiten, ein gerechtes Handeln. Und gutes Handeln schafft Gerechtigkeit. In den Evangelien hat Jesus nie gesagt, dass es am Ende Katechismusprüfungen geben würde oder dass es wichtig sei, bestimmte Dogmen zu kennen. Was zählt, ist ein gutes, ein authentisches Leben. Was zählt, ist, die Botschaft des Evangeliums angenommen zu haben: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, liebe den Herrn, deinen Gott, mehr als dich selbst.“ Ausgehend von diesen Annahmen kann Gott in der modernen westlichen Gesellschaft einen enormen Raum finden. Christus ist ein Weg, der die Menschlichkeit fördert, betont und feiert. Das heißt: Um zu Gott zu gelangen, darf ich mich selbst nicht verlassen, sondern muss mein Menschsein voll und ganz annehmen und es in seiner ganzen Fülle leben. Dafür ist Raum, denn heute brauchen wir die Versöhnung der Menschheit mit sich selbst. Wir müssen unsere Seelen von der spirituellen Krankheit unserer Zeit heilen: dem Misstrauen gegenüber dem menschlichen Potenzial. Ein Gott, der Mensch wurde, hat uns noch immer viel zu sagen.

Und es ist Weihnachten selbst, das uns daran erinnert, an die Geburt Jesu, der Mensch und für Christen zugleich der Sohn Gottes ist. Wir dürfen daher nicht vergessen, dass im Mittelpunkt von Weihnachten eine Geburt steht. Dies ist der Kern der Botschaft dieses Festes, das wir allzu oft auf Sekt und Panettone reduzieren. Wenn wir jedoch die tiefere Bedeutung eines Ereignisses verstehen wollen, das seit zweitausend Jahren gefeiert wird, müssen wir begreifen, wie eng und tiefgründig die Wörter Weihnachten und Geburt miteinander verbunden sind, so sehr, dass sie denselben etymologischen Ursprung haben. Und was lehrt uns diese Verbindung? Sie lässt uns verstehen, dass wir nicht bloß die Ankunft eines Kindes feiern, eine Geburt, die in grauer Vorzeit stattfand. Jedes Jahr am 25. Dezember feiern wir die Geburt, die jeden Tag in unserer Welt geschieht. Einer Welt, die oft, wie im Jahr 2025, erschüttert von Kriegen und Massakern, dunkel und unwirtlich erscheint und bereit ist, jedes neue Leben abzulehnen. Und doch wiederholt sich das Leben immer wieder, es beharrt darauf, so hartnäckig wie jene Geburt vor zwei Jahrtausenden, die stattfand, als die beiden Eltern kein Dach über dem Kopf finden konnten und ein mächtiger König seine Schergen aussandte, um einer Existenz, die kaum begonnen hatte, ein Ende zu setzen.

© Riproduzione riservata