Farben faszinieren uns; sie verändern unsere Stimmung – zum Guten wie zum Schlechten. Wenn wir sie tragen, erzählen sie uns Geschichten. Warum also nicht tiefer in sie eintauchen? Tatsächlich kennen wir viel mehr Gefühle als Farben. Deshalb kann jede Farbe unterschiedliche, oft widersprüchliche Bedeutungen haben und unterschiedliche Emotionen hervorrufen.

Dies ist der Ausgangspunkt von Eva Heller, Professorin für Kommunikationstheorie und Farbpsychologie, in ihrem Buch „ Die Psychologie der Farbe“ (Hoepli, 2025, S. 312, auch als E-Book erhältlich). Denken wir einmal darüber nach: Dasselbe Rot kann unpassend oder edel sein. Dasselbe Grün kann grell oder beruhigend sein. Ein Gelb kann strahlend oder schrill sein. Keine Farbe ist bedeutungslos, keine ist neutral, weder aus individueller, historischer noch kultureller Sicht. Konzentrieren wir uns, wie Eva Heller, auf Blau und seine Nuancen. Die wertvollste und begehrteste Farbe in der westlichen Kunst bis in die Neuzeit war Ultramarinblau (verwendet für den Mantel der Madonna), gewonnen aus Lapislazuli, einem Schmuckstein, der hauptsächlich aus dem heutigen Afghanistan stammt. Es war ein teures und seltenes Pigment, das oft durch Blau aus Azurit ersetzt wurde, einem in Europa vorkommenden Kupferderivat, das weniger teuer als Lapislazuli, aber sicher nicht billig war. Auch heute noch ist Blau die Farbe der Eleganz, der offiziellen Zeremonien, passend für englische Bräute an ihrem Hochzeitstag. Nehmen wir zum Beispiel Gelb, eine Farbe, die im Mittelalter vom Adel bevorzugt wurde, weil sie an Gold und Sonne erinnerte. Doch heute würde keine mächtige Persönlichkeit der Welt ein zitronengelbes Kleid tragen, wie es ein Herrscher vor tausend Jahren mit Freude getan hätte. Gelb ist zu etwas anderem geworden, zum Synonym für eine gewisse extravagante Extravaganz, es sei denn, man führt das Radrennen Tour de France an. Und doch entdecken wir auf den Seiten unseres Buches, dass Rosa und Rot heute typisch feminine Farben sind, während Blau und Hellblau eher mit Männern assoziiert werden, während vor Jahrhunderten das genaue Gegenteil der Fall war: Rot, ein Symbol für Feuer und Stärke, war die virilste Farbe überhaupt.

La copertina del libro
La copertina del libro
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Auf Grundlage dieser historischen und kulturellen Daten liefert Eva Heller eine Fülle von Informationen über Farben: von Volksweisheiten über ihre Verwendung im Produktdesign und ihre psychologische Wirkung bis hin zu den mit Farben assoziierten Vor- und Nachnamen. Vor allem erforscht sie die Beziehung zwischen Farben und Gefühlen und zeigt, dass diese nicht zufällig entstehen, denn ihre Assoziationen sind keine bloße Geschmackssache, sondern universelle Erfahrungen, die tief in unserer Sprache und unserem Denken verwurzelt sind. Wie der Maler Wassily Kandinsky schrieb: „Farbe ist ein Mittel, um direkt auf die Seele einzuwirken. Farbe ist ein Schlüssel, das Auge ist der Hammer, der sie schlägt, die Seele ist das Instrument mit tausend Saiten.“ Deshalb ist die Realität um uns herum nie einfach nur schwarz-weiß.

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