Altersdiskriminierung, die chronische Krankheit unserer Gesellschaft
Marco Trabucchi beschreibt die Vorurteile, die ältere Menschen diskriminierenMarco Trabucchi
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In Italien leben über 14 Millionen Menschen über 65 Jahre, das sind 24,7 % der Gesamtbevölkerung. Mehr als die Hälfte davon, also mehr als 7 Millionen Menschen, ist mindestens 75 Jahre alt. Wir sind ein alterndes Land, und dennoch gibt es so viel Rhetorik und enormes Desinteresse gegenüber älteren Menschen. Wir sind eine alte Nation, die in Wirklichkeit keine Rücksicht auf ihre älteren Menschen entwickelt hat, die in der politischen und intellektuellen Debatte fast völlig abwesend sind.
Es handelt sich um ein Phänomen der Gleichgültigkeit gegenüber dem Alter, das nicht auf Italien beschränkt, sondern typisch für die heutige Gesellschaft ist und von Experten mit einem präzisen Begriff definiert wird: Altersdiskriminierung. Wie Marco Trabucchi, Psychiater und einer der bedeutendsten italienischen Geriatrieexperten, in einem Buch mit dem Titel Ageism (Erickson-Il Margine, 2025, 16,00 Euro, S. 192; auch als E-Book erhältlich) erklärt, bezeichnet dieses Wort ein unsichtbares Vorurteil, das ältere Menschen diskriminiert. In einer Welt wie der heutigen, die die Jugend glorifiziert und das Alter an den Rand drängt, manifestiert sich Altersdiskriminierung durch den Abbau von Rechten, die Abwertung von Erfahrungen und soziale Ausgrenzung. Soziale Ausgrenzung, wenn nicht gar Einsamkeit, sind Zustände, die in unserer Zeit allzu oft mit dem Alter einhergehen. Marco Trabucchi analysiert dieses Phänomen und betrachtet es nicht nur als kulturelles Problem, sondern als ein Problem, das das Wohlbefinden der Menschen und die Stabilität des gesamten sozialen Gefüges beeinträchtigt. Der Band untersucht die historischen und sozialen Wurzeln der Altersdiskriminierung und erforscht deren Auswirkungen auf die öffentliche Politik, die Beziehungen zwischen den Generationen und die Lebensqualität älterer Menschen. Er unterstreicht die Notwendigkeit eines Perspektivwechsels: Es geht nicht nur darum, mehr Rechte zu garantieren, sondern die Rolle älterer Menschen in der Gesellschaft neu zu bewerten und ihre Erfahrungen als kollektives Erbe anzuerkennen.
Das Problem ist unserer Meinung nach genau das: Wir betrachten die ältere Bevölkerung weiterhin lediglich als Problem und Belastung für die Gemeinschaft. Diejenigen, die den Arbeits- und Produktionszyklus verlassen haben, gelten als überflüssig, nützlich als Babysitter für berufstätige Eltern, werden aber ansonsten ausgegrenzt. Es ist eine Schande, dass unsere Gesellschaft durch diese Denkweise zunehmend entwurzelt wird, ohne eigene Erinnerungen und Wurzeln. Sie ist immer weniger in der Lage, die Dinge mit einem anderen Blick zu betrachten als dem, der uns aus Unmittelbarkeit und Raserei entgegenschlägt. All das erscheint uns als Schande und Verschwendung.
Vielleicht ist es dann an der Zeit, zurückzublicken und in Stadtteilen und Städten Begegnungsräume und Treffpunkte zwischen den Generationen zu schaffen. Es gibt tatsächlich tausende Initiativen, an denen ältere Menschen beteiligt werden könnten: von der Begleitung der Kinder zur Schule, wie es in vielen europäischen Städten geschieht, bis hin zur Beauftragung mit der Betreuung von Spielplätzen oder anderen Aktivitäten, die die öffentliche Verwaltung aufgrund fehlender Mittel nicht mehr unterstützen kann.
Natürlich müssen wir die Voraussetzungen schaffen, diese Menschen stärker einzubeziehen und ihnen nicht das Gefühl zu geben, Teil des sozialen Kontextes zu sein, in dem sie leben. Es erfordert Willen und Engagement seitens der Institutionen, ebenso wie wir alle unseren Teil dazu beitragen müssen, uns neu umzuschauen und Gemeinschaften neu zu schaffen. Wie Marco Trabucchi in seinem Buch schreibt: „Ein Leben, wie das der Alten, das durch Unwissenheit und Dummheit ausgelöscht wird, ist in jedem Fall ein Leben, das mitsamt seinem Reichtum und seiner Bedeutung für alle verschwindet.“ Denn Gemeinschaften gedeihen, wenn niemand, der zu ihnen gehört, ausgegrenzt oder vergessen wird…